TOSENDER APPLAUS BEI BABLERS PARTEITAGS-REDE – DOCH ZUNÄCHST IST ER ZWEITPLATZIERTER
Die letzten Tage waren für Andreas Babler ein Auf und Ab der Gefühle. Zuerst standing ovations und Jubel nach seiner Rede am Parteitag, an dem die rund 600 Delegierten einen neuen Vorsitzenden für die SPÖ gewählt haben. Dann die Ernüchterung ob der knappen Niederlage: Mit 46 Prozent für Andi Babler hat um wenige Stimmen die Wahl Hans Peter Doskozil gewonnen. Keine 48 Stunden später die Kehrwende: Bei der Auszählung der Delegiertenstimmen sei ein Fehler unterlaufen, die Prozentwerte der Kandidaten Hans-Peter Doskozil und Babler wurden falsch berechnet. Die Reihung war die falsche, Babler hat die Wahl gewonnen.
Babler ließ erneut die gesamte Wahlkommission zusammentreten, um die Stimmen – mit Begleitung durch einen Notar – noch einmal auszuwerten. Gegen Mittag stand fest: Am Wählerwillen der Delegierten gibt es keinen Zweifel, an den Berechnungen keine Fehler mehr: Andreas Babler wurde zum 13. Vorsitzenden der SPÖ gewählt.
BABLER: “MÜSSEN SPÖ MIT DEMOKRATIE DURCHFLUTEN”
In seiner anschließenden Pressekonferenz stellte Andreas Babler nicht nur fest, dass seine erste Aufgabe sei, dafür zu sorgen, dass solche Fehler sich nicht mehr wiederholen werden – sondern auch, was die Ereignisse der letzten Wochen bedeuten:
„Natürlich hätte ich mir gewünscht, mein Amt unter anderen Bedingungen anzutreten. Aber das, was in den letzten Wochen passiert ist, all das bestärkt mich nur in dem, was ich von Beginn an gesagt habe: Wir brauchen in der SPÖ neue, offene und transparente Regeln. Wir müssen alle Bereiche der SPÖ mit Demokratie durchfluten. Wir müssen dafür sorgen, dass in Zukunft die Mitglieder direkt über den Parteivorsitz entscheiden können“,
erklärte Babler am 6. Juni, als er verkündete, das Amt anzunehmen.
Es ist sein wohl größtes Herzensanliegen bei der Reform der SPÖ: mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die Mitglieder – nicht nur bei der Vorsitzwahl, sondern auch bei Koalitionsabkommen.
AUFGEWACHSEN ALS TRAISKIRCHNER ARBEITERKIND
Andreas Babler wurde 1973 im niederösterreichischen Mödling geboren. Er wächst als Sohn einer Traiskirchner Semperit-Arbeiterfamilie auf. Wie mit dem Werk umgegangen wurde, hat ganze Generationen in der Stadt verändert. “In den 90er-Jahren haben wir hautnah erlebt, was passiert, wenn Konzerne in ihrem Profit- und Auslagerungswahn Jobs in Österreich einstampfen. Die Stadt und die Traiskirchner:innen sind in den Kampf gegen die Konzernmacht gegangen und da habe ich gelernt, dass man sich wehren kann und wehren muss”, erzählt Babler. Jahre später wird er seine Masterarbeit dem Kampf der Semperit-Arbeiter:innen widmen, die diesen schlussendlich verloren haben.
EMPÖRUNG ÜBER UNGLEICHE BEZAHLUNG VON FRAUEN, ENGAGEMENT IN INTERNATIONALER FRIEDENSBEWEGUNG
Babler verlässt die HTL, arbeitet als Maschinenschlosser, geht zum Bundesheer, wird politisch aktiv und arbeitet zwischenzeitlich als Abfüller in Schichtarbeit. Auch diese Zeit war für ihn prägend. „Die Arbeiterin neben mir hat sich genauso abgerackert wie ich, aber am Ende des Monats hat sie ein Drittel weniger Lohn bekommen als ich. Es war damals eine himmelschreiende Ungerechtigkeit und ist es heute noch“, sagt Babler, wenn er heute Lohngerechtigkeit und verpflichtende Lohntransparenz fordert.
Mit 16 Jahren wird Babler Mitglied der Sozialistischen Jugend, engagiert sich in der Friedensbewegung. Was sie ihn gelehrt hat? „Nicht in nationalem Schubladendenken stecken zu bleiben. Ich bin Internationalist. Die Klimakrise, Kriege, Fluchtbewegungen – für all das kann man keine Lösungen finden, wenn man nicht europäisch und nicht international denkt“, erklärt er.
TRAISKIRCHEN ALS „SOLIDARISCHE STADT“ MIT BEEINDRUCKENDEN WAHLERGEBNISSEN
Der Politik bleibt er Traiskirchen verpflichtet. 2014 wird Babler Bürgermeister in seiner Heimatstadt. Bei seiner ersten Wahl erreicht er mit der SPÖ das beste Wahlergebnis in der Gemeinde seit 1945: 73,1 Prozent. Traiskirchen wird in diesen Jahren immer wieder zur Projektionsfläche für ÖVP und FPÖ, um Angst vor Migrant:innen und Flüchtlingen zu schüren. In der Stadt steht das größte Flüchtlingslager Österreichs. Immer wieder muss Babler ausrücken, um auf die schlimme Lage dort aufmerksam zu machen, die sehenden Auges von der Regierung in Kauf genommen wird. Babler organisiert Spendensammlungen – und mahnt eine menschliche Asylpolitik ein. In Wien demonstriert er mit vielen Gleichgesinnten vor dem Innenministerium und fordert: „Flüchtlinge menschlich unterbringen – Massenlager abschaffen“. Rassistische Töne hört man von ihm nie.
Doch es geht ihm bei seiner Stadtpolitik nicht nur um das Thema Asyl und Migration. In Traiskirchen setzt er um, was er sich unter einer „Solidarischen Stadt“ vorstellt: Kostenlose Mittagessen für Kinder aus einkommensarmen Familien – nachhaltig geliefert und zubereitet. Kostenlose Nachmittagsbetreuung für Familien, wenn sie sich diese nicht leisten können. Gemeinschaftlicher Obst- und Gemüseanbau, bei dem Traiskirchner:innen und Geflüchtete zusammenhelfen. Geförderte Urlaube für Pensionist:innen. Ein Sozialmarkt, der so einladend ist wie ein moderner Supermarkt. Auch den Klimawandel sieht Andreas Babler als drängende, soziale Frage. 2019 ruft Traiskirchen als erste Stadt Österreichs den Klimanotstand aus: Alle Gesetze sollen auf Klimatauglichkeit überprüft werden.
Sein Konzept geht auf. Bei den niederösterreichischen Landtagswahlen im Jänner 2023 fährt die SPÖ in Traiskirchen als eine der wenigen Gemeinden ein Plus von 3,8 Prozent im Vergleich zu 2018 ein. Mit 46,6 Prozent ist es ein historisches Wahlergebnis. Landesweit bekam Babler über 20.000 Vorzugsstimmen – und damit nur knapp weniger als der SPÖ-Spitzenkandidat Franz Schnabl. Aufgrund des großen Erfolges erhielt Babler ein Mandat im Bundesrat.
„MENSCHEN SIND KEINE BITTSTELLER, SIE HABEN RECHTE, SIE HABEN WÜRDE.“
Bablers Politikverständnis prägt Traiskirchen nun schon seit fast 10 Jahren. Jetzt bringt er es in die Bundespolitik. Sein Programm, das die programmatischen Leitlinien für seinen Vorsitz darstellt, ist breit aufgestellt. So umfasst es etwa eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn, einen Rechtsanspruch für Frauen auf gleiche Bezahlung, ein Recht auf schnelle notwendige Facharzttermine sowie Mietobergrenzen. Darüber hinaus soll mit einem Energiewende-Fonds die Dekarbonisierung finanziert werden. Ein besonders Anliegen ist im auch der Kampf gegen Kinderarmut – unter anderem fordert Babler eine Kindergrundsicherung, so wie das Modell der “Volkshilfe”.
“Ich denke gern groß. Als Sozialdemokrat musst du ja Visionen haben, das ist deine Aufgabe”, sagt Babler. “Denen, die sagen ‘Das sind alles Träumereien’, sag ich: Ja, Träume, die wir Wirklichkeit werden lassen. Wie wir das seit 130 Jahren machen. Gemeindebauten, der 8-Stunden-Tag, die 5. Urlaubswoche. Das waren alles Träumereien, bis wir sie verwirklicht haben.”
Andreas Babler hat sich viel vorgenommen. Wo er beginnt und wie? „Mit einer Basistour durch Österreich“, antwortet er. „Mit ihr werde ich fortsetzen, was ich in den letzten Wochen begonnen habe. Wir werden für unsere Visionen werben und wir werden hören, welche Visionen unsere Mitglieder im ganzen Land haben”, sagt der SPÖ-Vorsitzende.
Quelle: kontrast.at