In Österreich gibt es ein Equal-Pay-Siegel. Nennt sich equalitA. Damit werden Unternehmen ausgezeichnet, die Frauen innerbetrieblich fördern und für Geschlechtergerechtigkeit innerhalb des Betriebes sorgen. Da ist schön. Ausgedacht haben sich das die Ministerinnen Schrammböck und Raab. Weil, das ist nicht nur gut für die Frauen und die Unternehmen, sondern auch für die Wirtschaft. Das stärkt den Wirtschaftsstandort Österreich. Seit März 2020 gibt es diese Auszeichung. Im Herbst 2020 sollten die ersten Unternehmen ausgezeichnet werden. Oder auch nicht – Corona. Natürlich Corona.
Gut, die ungleiche Bezahlung zwischen Männer und Frauen, die unbezahlte Heimarbeit, die Kinder – und Pflegearbeit, die gab es schon vor Corona. Da war dann halt der Gender-Pay-Gap schuld, das Kinderkriegen und überhaupt wollen viele Frauen ja auch zu Hause bleiben …
“Wir haben zwar in Österreich schon viel zur besseren Gleichstellung von Frauen und Männern erreicht …“, sagt Frauenministerin Raab 2020. Nein, nicht wir – die Sozialdemokratie wars! Die Dohnal wars! Die Karenz, die Fristenlösung, der Strafbestand der Vergewaltigung in der Ehe, die Frau als eigenständige Rechtsperson …
Die ÖVP ruft ein Equal-Pay-Siegel ins Leben. Ist auch schön. Die Gewinner bekommen ein Galadinner. Wow. Da freut sich eine alleinerziehende Mutter, die bei einem menschenverachtenden Konzern schuften muss, um ihr Leben zu bestreiten, um ihre und die Existenz ihrer Familie zu sichern!
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit! Geht nicht, sagt die Wirtschaft! Unleistbar wäre das und ungerecht, weil Ausbildung und Dienstzeiten und so … an dieser Stelle sei ein wenig Skepsis angebracht: Die Wirtschaft – wer immer das auch sein soll oder will – hat sich noch nie groß für Gerechtigkeit interessiert.
Nur der Staat kann für Gerechtigkeit sorgen – per Gesetz und nicht mit einem Equal-Pay-Siegel! Und das wird auch passieren, nicht heute, aber bald.
Es geht so nicht weiter. Das ist keine Drohung. Das ist eine simple Feststellung. Die Welt ändert sich und es liegt an den politischen Verantwortlichen – jetzt – Maßnahmen zu setzen, die diesen Veränderungen gerecht werden.
Gute Politik zeichnet sich eben dadurch aus, dass sie gesellschaftliche Bedürfnisse erkennt und dementsprechend reagiert. Schlechte Politik ist übrigens auch leicht zu erkennen: Es ist eine ununterbrochene PR-Kampagne um die Gunst der Stammtische, zu bequem und zu ängstlich, um wirklich zu gestalten oder gar zu verändern.
Die 40-Tage Woche kam, weil ein sozialdemokratischer Bundeskanzler erkannt hat, dass die ÖsterreicherInnen mehr Zeit mit ihren Familien verbringen wollen. Es war die richtige Maßnahme zur richtigen Zeit – es war intelligente, gute Politik. Nicht das sture Festhalten an Dogmen und Traditionen hat Österreich weiter gebracht, sondern die Bereitschaft, Veränderungen anzuerkennen und ihnen gesetzlich zu entsprechen.
Die 4-Tage-Woche, 1.700 Euro netto Mindestlohn – das können wir uns nicht leisten, Frauenquoten in Aufsichtsräten können wir uns auch nicht leisten, Väterkarenz können wir uns nicht leisten, Kinder können wir uns nicht leisten – ah – Moment, die brauchen wir ja. In Zukunft. Oder auch nicht – wer weiß schon, wie die Arbeitswelt in 10 Jahren aussieht? Die Digitalisierung hat noch nicht einmal richtig angefangen und ist schon dabei uns zu überrollen.
Und welche Antworten auf die Fragen der Zukunft gibt der rückwärts gewandte politisch-wirtschaftliche Block: Müsst’s halt mehr leisten. Leistung muss sich auszahlen. Ja, eh, dann reden wir aber auch über Leistung – und zwar in allen Facetten. Da passt Corona dann wieder ganz gut. Homeoffice und Homeschooling, Haushalt und Lebenserwerb, die Existenz – und Grundversorgung im Lockdown – wer hat das gemacht, wer war denn das in der Mehrheit? Richtig, Frauen.
Corona ist noch nicht vorbei. Das Licht am Ende des Tunnels – es sind die Scheinwerfer eines Hochgeschwindigkeit-Zuges. Keine Impfung, kein Allheilmittel, kein Zurück zum gewohnten Alltag. Die Wirtschaft erholt sich nicht. Arbeitsplätze gehen verloren, Familien verzweifeln, Freunde vermissen sich. Der Druck steigt weiter, die Last wird jeden Tag schwerer und Frauen leiden am meisten darunter.
Durchhalteparolen und apokalyptische Visionen wechseln sich in den Schlagzeilen ab. Vom Kanzler kommen Ermahnungen, nicht so viel Feiern, mehr Distanz – einfach ein „bissl brav sein“. Das wird nicht reichen – nicht für die Krise, nicht für danach. Equal-Pay-Siegel werde nicht reichen, der gute Wille der Wirtschaft wirds nicht richten – es müssen Gesetze her, die Gerechtigkeit schaffen. Das können wir uns leisten. Das müssen wir uns leisten, wenn wir nicht wollen, dass die Enttäuschung und der Frust zunehmen und damit auch die Wut.
Wir wissen, wohin Wut führt. Wir wollen diesen Weg nicht beschreiten und es ist auch nicht notwendig. Notwendig ist nur die politische Bereitschaft, gesellschaftlichen Wandel anzuerkennen und die richtigen Weichen für das heute und morgen zu stellen. Die Instrumente dazu sind vorhanden – es muss nur der Wille da sein.
Ana Blatnik
Andreas Sucher