Meine Gedanken anlässlich der Deportation von Kärntner Sloweninnen und Slowenen vor 80 Jahren

Die nationalsozialistische Tyrannei ist das dunkelste Kapitel in der Geschichte unseres Landes. Viel zu lange wurde über die Mitverantwortung von vielen für Abscheulichkeiten, die unmenschlichen, unsäglichen und bestialischen Gewalt- und Terrorakte geschwiegen. Sie, diese Mitverantwortung, einzugestehen, die „bequeme“ „wir waren ja alle Opfer“-Haltung aufzugeben, das hat lange – zu lange gebraucht.
 
Das gilt auch für die grausame und mit nachhaltigen, langfristigen Auswirkungen verbundene Vertreibung von Kärntner Sloweninnen und Slowenen, unseren Landsleuten. Am 14. April 1942 begannen die NS-Statthalter mit der Umsetzung des Führerbefehls, „dieses Land wieder deutsch zu machen“. In Nacht- und Nebel-Aktionen wurden 227 slowenische Bauernfamilien von ihren Höfen verjagt, mehr als 1000 Männer, Frauen und Kinder in Klagenfurt zusammengetrieben und in verschiedene Arbeitslager im sogenannten „Altreich“ verbracht. Viele von ihnen starben dort an den Folgen der Zwangsarbeit, und kaum einer dieser ihrer Würde beraubten, gedemütigten und gequälten Menschen, der mit dem Leben davonkam, überstand die Torturen der Deportation ohne bleibende körperliche und seelische Schäden.
 
Wer sich in den Arbeitslagern kritisch äußerte, den Lagerappell missachtete oder gar versuchte, mit Widerstandsgruppen Kontakt aufzunehmen, wurde vor ein Volksgericht gestellt und hatte mit Gefängnis und Zuchthausstrafen oder der Einweisung in ein KZ zu rechnen.
 
Die Rückkehr nach Kärnten gestaltete sich für alle Deportierten, die den Krieg überlebt hatten, alles andere als harmonisch: Am 17. Juli 1945, mehr als zwei Monate nach Kriegsende, traf der erste Heimkehrer-Transport mit 272 Personen, darunter 140 Kinder, aus Nürnberg in Villach ein. Es dauerte bis 25. Juli, ehe alle in Heimatdörfer zurückkamen. Viele von ihnen mussten bei Verwandten und Bekannten Unterschlupf suchen, weil sich die Zwischenbewirtschafter entweder weigerten, die Höfe zu verlassen oder diese, falls schon verlassen, in desolatem Zustand und vielfach ausgeplündert waren. Verbale und tätliche Übergriffe waren an der Tagesordnung;
 
Es dauerte bis 1947, bis alle Höfe den ursprünglichen Besitzern zurückgegeben waren – in manchen Fällen bis in die 50er Jahre. Für die finanzielle Wiedergutmachung wurde zwar eine Schadenssumme von 3,8 Millionen Schilling ermittelt, durch das Währungsschutzgesetz von 1947 verlor jedoch der Schilling um ein Drittel an Wert. Eine Anpassung durch die Bundesregierung, wie von LH Wedenig gefordert, fand nicht statt. Zumindest wurde durch das Opferfürsorgegesetz eine Möglichkeit der Entschädigung für die erlittene Haft geschaffen und so auch den Unterstützern des Partisanenkampfes der Status des Widerstandkämpfers gegen das NS-Regime behördlich bescheinigt. Die gesellschaftliche Anerkennung ihrer Leistungen für die Befreiung Österreichs ließ dagegen Jahrzehnte auf sich warten. 
 
Tatsächlich haben die Kärntner Sloweninnen und Slowenen durch ihre Teilnahme am bewaffneten Kampf gegen Faschismus bzw. dessen materielle und ideelle Unterstützung wesentlich zu Wiedererrichtung eines freien, demokratischen Österreichs beigetragen. Es wurde ihnen nach Abzug der Alliierten 1955 nicht wirklich gedankt, im Gegenteil wie auch die folgenden Jahre bis zur Eskalation im Ortstafelstreit und die nicht minder demütigenden Jahrzehnte mit schmerzlichen Auseinandersetzungen beweisen. Es hat lange, zu lange bis zur Beilegung, bis zur verfassungsmäßigen Verankerung der slowenischen Volksgruppe und einer wechselseitigen Wertschätzung beider in unserer gemeinsamen Heimat lebenden Volksgruppen gedauert. 
 
Als Landeshauptmann und aus zutiefst persönlicher Überzeugung, geht mein Dank an alle, die für die Freiheit Österreichs und Rückkehr in die Zivilisation gekämpft haben; an alle, die dafür ihre Leben lassen mussten; an die, die den Mut hatten, Vorurteile zu überwinden, Gräben zuzuschütten und ohne Angst aufeinander zuzugehen; an alle die das angeblich Trennende als Projektion einer unbegründeten, ideologisch stimulierten Abneigung erkannt haben und so die Gemeinsamkeiten in einem an Vielfalt reichen kulturellen Erbe wiederentdeckt haben.
 
Und ich entschuldige mich aus tiefstem Herzen bei all den vertriebenen Kärntner Sloweninnen und Slowenen für das furchtbare Gräuel, das ihnen angetan wurde. Ich entschuldige mich auch bei ihren Familien und der Volksgruppe – bei meinen slowenischsprechenden Landsleuten.
Vsem pregnanim koroškim Slovenkam in Slovencem se iz dna srca opravičujem za strašne grozote, ki so jih morali pretrpeti. Opravičujem se tudi njihovim družinam in narodni skupnosti – svojim slovensko govorečim rojakinjam in rojakom.
 
Ich werde – auch persönlich – alles tun, damit so etwas nie wieder jemandem angetan wird.
Mein Dank gilt dem „Verband zwangsweise ausgesiedelter Slowenen/Zveza slovenskih pregnancev (ZSP)“, der sich dieses Themas angenommen und diese beschämende Unmenschlichkeit in allen Details ihrer Durchführung während der Kriegsjahre bis hin zur nicht minder bitteren Rückkehr der Überlebenden in eine Nachkriegszeit rekonstruiert hat, die von Unverständnis, Ablehnung und einer mehr als armseligen „Wiedergutmachung“ geprägt war. Für diesen Beitrag zu einer angemessenen und wertschätzenden Erinnerungskultur darf ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken. Prisrčna hvala!
 
Nicht ohne Bedacht haben die Herausgeber der Dokumentation „1942 Vertreibung. Pregon 2022“ mit den Jahreszahlen 1942 und 2022 eine zeitliche Klammer gesetzt. Sie soll uns meinem Verständnis nach vor allem als Mahnung dienen, dass die physische Auslöschung lediglich der Schlusspunkt eines Prozesses ist, der mit der Verächtlichmachung Andersdenkender oder -sprechender beginnt, sich in ihrer Ausgrenzung und Segregation fortsetzt und schließlich im Unfassbaren endet.
 
Wir sollten auch und gerade heute, in Zeiten in denen sich die dunkelste Zeit unserer Geschichte in Europa mit dem brutalen Angriffskrieg Russlands in der Ukraine wiederholt, diese Mahnung ernst nehmen und uns vor Tendenzen hüten, die auf eine Spaltung unserer Gesellschaft und mittelfristig auf die Zerstörung der sie bindenden Kräfte hinauslaufen. Es wäre unser aller Schaden und spräche all jenen Hohn, die in schlimmeren Zeiten ihr Leben für Freiheit und Demokratie riskiert haben. Den von uns in Kärnten eingeschlagene Weg des Respekts und der Wertschätzung weiterzugehen und nie wieder in alte Verhaltensmuster zu verfallen, ist unser aller Auftrag und eine Botschaft weit über die Landesgrenzen hinaus.